Politische Ökonomie der Peer-Produktion

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auszugsweise Übersetzung des Artikels von Michel Bauwens: The Political Economy of Peer Production. http://www.ctheory.net/articles.aspx?id=499

Dies ist eine erste verbesserungsbedürftige Rohübersetzung. Mithilfe bei der Überarbeitung ist sehr willkommen.

Peer to Peer

P2P bezieht sich nicht auf alle Verhaltensweisen oder Prozesse, die in verteilten Netzwerken stattfinden. P2P bezeichnet speziell diejenigen Prozesse, die darauf abzielen, die möglichst umfangreiche Mitwirkung von gleichberechtigten TeilnehmerInnen zu vergrößern. Wir werden diese Begriffe definieren, wenn wir die Eigenschaften von P2P-Prozessen untersuchen, aber hier sind die grundsätzlichsten und wichtigsten Charakteristika.

P2P-Prozesse:

  • produzieren Gebrauchs-Wert durch die freie Kooperation von HerstellerInnen, die Zugang zu verteiltem Kapital haben: dies ist die P2P-Produktionsart, eine 'dritte Art der Produktion', anders als profitorientierte Produktion oder Produktion durch staatliche Unternehmen. Ihr Produkt ist nicht Tausch-Wert für einen Markt sondern Gebrauchs-Wert für eine Gemeinschaft von NutzerInnen.
  • werden von der Gemeinschaft der HerstellerInnen selbst gesteuert, und nicht über Markt-Allokation oder betriebliche Hierarchie: dies ist die P2P-Steuerungsart, oder 'dritte Art von Steuerung'.
  • machen Gebrauchs-Wert auf einer allgemeinen Basis frei verfügbar, und zwar über neue Regelungen von Gemeingut-Eigentum. Dies ist ihre Verteilungs- oder 'Peer-Eigentumsart': eine 'dritte Art von Eigentum', anders als Privateigentum oder öffentliches (Staat-) Eigentum.

Die P2P Infrastruktur

Was war notwendig um die Entstehung von P2P Prozessen zu ermöglichen? Die erste Anforderung ist das Vorhandensein einer technischen Infrastruktur, die P2P-Prozesse unterstützt und den verteilten Zugang zu gebundenem Kapital ermöglicht. Einzelne Computer die eine universelle Maschine ermöglichen, die jede logische Aufgabe bearbeiten kann, sind eine Form von verteiltem gebundenem Kapital, das vielen Produzenten zu niedrigen Kosten zugänglich ist. Das Internet als ein Point-to-Point-Netzwerk wurde speziell für die Teilnahme der Kanten (Computer User) ohne Verwendung verpflichtender Netzwerkknoten designt. Obwohl es nicht gänzlich in den Händen seiner Teilnehmer liegt, wird das Internet über verteilte Steuerungsprozesse kontrolliert und liegt außerhalb der völligen Vorherrschaft bestimmter privater oder staatlicher Akteure. Die hierarchischen Elemente des Internet (wie etwa das geschachtelte IP Protokoll, das dezentralisierte System der Domain Namen etc.) verhindern nicht die Teilnahme. Virale Kommunikatoren oder Netzwerke sind logische Erweiterungen des Internet. Mit dieser Methode erzeugen (End-)Geräte ihr eigenes Netzwerk durch die Nutzung überschüssiger Kapazität, und umgehen die Notwendigkeit einer eigenen Infrastruktur. Beispielhaft für diesen Trend sind die 'Community Wi-Fi'-Bewegung, die Verfechter von Open Spectrum, file-serving television und alternative Netzwerk-basierte Telekommunikations-Infrastrukturen.

Die zweite Anforderung sind alternative Informations- und Kommunikations-Systeme, die autonome Kommunikation zwischen kooperierenden Akteuren erlauben. Das Web (speziell das Writeable Web und Web 2.0, das sich im Entstehungsprozess befindet) erlaubt die universelle autonome Produktion, Verteilung und 'Konsupmtion' von geschriebenem Material, während die verbundenen Podcasting und Webcasting Entwicklungen eine alternative Informations- und Kommunikations-Infrastruktur für Audio- und Video-Produktion hervorbringen. Die Existenz einer solchen Infrastruktur ermöglicht autonome Inhalts-Produktion die ohne Zwischenschaltung der klassischen Publikations- und Sendemedien verteilt werden (obgleich neue Formen der Vermittlung entstehen können).

Die dritte Anforderung ist die Existenz einer Software-Infrastruktur für globale autonome Kooperation. Eine wachsende Zahl kollaborativer Tools, wie Blogs und Wikis, eingebunden in Social Networking Software ermöglicht die Entstehung von Vertrauen und Sozialkapital. Dies ermöglicht die Entstehung globaler Gruppen die Gebrauchs-Werte erzeugen, ohne die Zwischenschaltung von Produktion oder Verteilung durch profitorientierte Unternehmen.

Die vierte Anforderung ist die rechtliche Infrastruktur, die die Erzeugung von Gebrauchs-Werten ermöglicht und vor privater Aneignung schützt. Die General Public License (die die Privatisierung von Software Code verbietet), die damit verbundene Open Source Initiative, und bestimmte Arten der Creative Commons Lizenzen erfüllen diese Funktion. Sie ermöglichen den Schutz von gemeinsamem Gebrauchs-Wert und verwenden virale Eigenschaften um sich zu verbreiten. GPL- und ähnlich lizenziertes Material kann nur in Projekten verwendet werden, die ihren adaptierten Sourc Code wiederum öffentlich zugänglich machen.

Die fünfte Anforderung ist eine kulturelle. Die Verbreitung von 'Mass intellectuality' (also die Verbreitung menschlicher Intelligenz) und damit verknüpfter Änderungen der Art zu fühlen und zu sein (Ontologie), der Art zu wissen (Epistemologie) und Werte-Konstellationen (Axiologie) waren beim Hervorbringen des Typs von kooperativem Individualismus behilflich, der notwendig ist, um einen Ethos aufrechtzuerhalten, der P2P Projekte ermöglicht.

Die Eigenschaften von P2P

P2P-Prozesse treten in verteilten Netzwerken auf. Verteilte Netzwerke sind Netzwerke, in denen autonome Akteure über ihr Verhalten und ihre Verbindungen frei entscheiden können ohne die Zwischenschaltung von verpflichtenden Netzknoten. Wie Alexander Galloway in seinem Buch über "Protocollary Power" betont, verteilte Netzwerke sind nicht das selbe wie dezentralisierte Netzwerke, in denen bestimmte Neztwerkknoten verpflichtend sind. P2P basiert auf verteilter Macht und verteiltem Zugang zu Ressourcen. In einem dezentralisierten Netzwerk wie etwa dem Flughafen-System in den USA müssen Flugzeuge bestimmte Netzwerkknoten benutzen; in einem verteilten System wie dem Internet oder Autobahn-Netzen hingegen mögen Netzwerkknoten existieren, aber sie sind nicht verpflichtend, und Akteure können sie umgehen.

P2P-Projekte zeichnen sich durch Equipotenzialität oder 'Anti-Credentialismus' aus. Das bedeutet, das es keine a priori Auswahl bezüglich der Teilnahme gibt. Die Fähigkeit zu kooperieren beweist sich im Prozess der Kooperation selber. Daher sind Projekte offen für alle Hinzukommenden, vorausgesetzt sie haben die notwendigen Fähigkeiten um zum Projekt beizutragen. Diese Fähigkeiten werden im Produktionsprozess selbst überprüft und gemeinsam validiert. Dies ist augenscheinlich in offenen Publikationsprojekten wie z.B. Bürgerjournalismus: jedeR kann schreiben und jedeR kann die Richtigkeit der Artikel überprüfen. Reputations-Systeme werden für gemeinsame Validierung benützt. Das Filtern geschieht a posteriori, nicht a priori. Anti-Credentialismus ist daher zu unterscheiden von klassischem Peer-Review, bei dem Empfehlungen eine wesentliche Voraussetzung für die Teilnahme sind.

P2P-Projekte zeichnen sich durch Holoptismus aus. Holoptismus ist die implizite Fähigkeit und das Design von P2P-Prozessen, das den TeilnehmerInnen freien Zugang zu all den Informationen über die anderen TeilnehmerInnen erlaubt; nicht im Sinne von Privacy, sondern im Sinne ihrer Existenz und ihrer Beiträge (also horizontale Information) und Zugang zu den Zielen, Metriken und der Dokumentation über das Projekt als Ganzes (also die vertikale Dimension). Dies kann kontrastiert werden mit dem Panoptismus, der hierarchische Prozesse kennzeichnet: Prozesse sind so designt, dass 'totales' Wissen einer Elite vorbehalten wird, während TeilnehmerInnen nur auf der Ebene des notwendigen Wissens Zugang haben. In P2P-Projekten hingegen funktioniert Kommunikation nicht von oben nach unten nach klar definierten Richtlinien für das Reporting, sondern Feedback läuft systemisch, integriert in das Protokoll des kooperativen Systems.

Das oben Gesagte schöpft die Eigenschaften von Peer-Produktion nicht aus. Weiter unten werden wir die Betrachtung dieser Eigenschaften im Kontext eines Vergleichs mit anderen Arten der Produktion fortsetzen.

P2P und die anderen Produktionsarten

Der Rahmen unseres Vergleiches ist die Theorie der Relationalen Modelle des Anthropologen Alan Page Fiske, dargestellt in seinem Hauptwerk 'The Structure of Social Life'. Die Tatsache, dass die Arten der Produktion eingebettet sind in inter-subjektive Beziehungen, also dass sie durch besondere Kombinationen von Beziehungen charakterisiert sind, bietet den Rahmen um P2P zu erkennen. Nach Fiske gibt es vier Grundtypen von inter-subjektiven Dynamiken, die unabhängig von Zeit und Ort gültig sind. In seinen Worten:

Menschen nützen zur Organisation der meisten Aspekte von Gemeinschaflichkeit (sociality) in allen Kulturen die meiste Zeit nur vier grundlegende Modelle. Diese Modelle Communal Sharing (gemeinschaftliches Teilen), Authority Ranking (Authoritäts-Reihung), Equality Matching (Gleichheits-Herstellung) und Market Pricing (Verwendung von Marktpreisen).

Gemeinschaftliches Teilen ist eine Beziehung in denen Menschen eine Dyade oder Gruppe als gleichrangig oder undifferenziert in Bezug zum fraglichen sozialen Bereich behandeln. Beispiele sind Menschen, die ein Gemeingut nutzen (gemeinschaftliches Teilen in Bezug auf die spezifische Ressource), Menschen in einer intensiven Liebesbeziehung (gemeinschaftliches Teilen in Bezug auf ihr soziales Selbst), people who "ask not for whom the bell tolls, for it tolls for thee" (gemeinschaftliches Teilen in Bezug auf gemeinsames Leiden und Wohlergehen), oder Menschen, die in Vergeltung für einen Angriff unterschiedslos ein beliebiges Mitglied einer feindlichen Gruppe töten (gemeinsames Teilen in Bezug auf gemeinsame Verantwortung).

Bei der Authoritäts-Reihung haben Menschen asymmetrische Positionen in einer linearen Hierarchie in der Untergeordnete sich zurücknehmen, Respekt zeigen und (u.U.) gehorchen, während Übergeordnete den Vorrang übernehmen und schützende Verantwortung für Untergeordnete. Beispiele sind militärische Hierarchien (Authoritäts-Reihung bezüglich Entscheidungen, Kontrolle und vieler anderer Aspekte), Ahnenkult (Authoritäts-Reihung bzgl. der Bereitschaft zu Respekt gegenüber den Vorfahren und Erwartungen von Schutz und Bekräftigung von Normen), moralische Grundsätze in monotheistischen Religionen (Authoritäts-Reihung bei der Definition von richtig und falsch durch Gebote oder den Willen Gottes), soziale Status-Systeme wie Klassen oder ethnische Gliederung (Authoritäts-Reihung bzgl. des sozialen Wertes von Identitäten) und Klassifikationen wie die Reihung von Sportsgruppen (Authoritäts-Reihung bzgl. Prestige). Beziehungen in der Authoritäts-Reihung gründen auf der Wahrnehmung von legitimer Asymmetrie, nicht von Macht durch Zwangsausübung; sie sind nicht von Natur aus ausbeuterisch (obwohl sie Macht bedingen oder Nachteile bewirken können).

Bei Beziehungen der Gleichheits-Herstellung behalten die Menschen die Balance oder den Unterschied zwischen TeilnehmerInnen im Auge und wissen was zur Wiederherstellung von Balance notwendig wäre. Bekannte Erscheinungsformen sind das Abwechseln, Wahlen mit einer Stimme pro Person, Verteilung von gleichen Anteilen oder Vergeltung basierend auf Auge um Auge, Zahn um Zahn. Beispiele sind Sportswettkämpfe und Spiele (Gleichheits-Herstellung bzgl. der Regeln, des Ablaufes, der Ausstattung und des Gebietes), Baby-Sitting-Kooperationen (Gleichheits-Herstellung bzgl. des Austausches von Kinderbetreuung), und Wiedergutmachung in Sachleistungen (Gleichheits-Herstellung bzgl. der Richtigstellung eines Fehlers).

Beziehungen unter Verwendung von Marktpreisen sind orientiert an sozial bedeutsamen Verhältnissen oder Kursen wie Preise, Löhne, Zinsen, Mieten, Zehente oder Kosten-Nutzen-Analysen. Geld muss nicht das Medium sein und diese Beziehungen müssen nicht egoistisch, konkurrenzorientiert, gewinnmaximierend oder materialistisch sein. Jedes der vier Modelle kann jede dieser Eigenart aufweisen. Beziehungen unter Verwendung von Marktpreisen sind nicht notwendigerweise individualistisch; eine Familie kann die Einheit für gemeinsames Teilen oder Authoritäts-Reihung sein, die gegenüber anderen Unternehmen in Beziehungen über Marktpreisen agiert. Beispiele sind Eigentum, das gekauft, verkauft oder als Investitionskapital eingesetzt werden kann (Land oder Objekte in Marktpreis-Beziehungen), Heiraten, die vertrglich geregelt sind oder in Begriffen von Kosten und Nutzen für die Partner, Prostitution (Sex als Marktpreis-Beziehung), bürokratische Standards der Kosten-Effektivität (Ressourcen Allokation als Marktpreis-Beziehungen), Nützlichkeits-Bewertungen über den größten Nutzen für die größte Anzahl, oder Gleichheits-Standards beim Festlegen von Anrechten im Verhältnis zu Beiträgen (zwei Formen von Moralität als Marktpreis-Beziehungen), Überlegungen zum effektiven Zeit-Einsatz und Schätzungen von erwarteten 'kill ratios' (Aggression als Marktpreis-Beziehung).

Jeder Typ von Gesellschaft oder Zivilisation ist eine Mischung dieser vier Arten, aber es kann plausibel argumentiert werden, das eine Art immer bestimmend ist und die anderen untergeordneten Arten prägt. Historisch war die erste dominante Art Verwandtschafts- oder Abstammungs-basierte Reziprozität, die sogenannten Stammes-Schenk-Ökonomien. Der zentrale Beziehungs-Aspekt war 'Zugehörigkeit'. Geschenke bewirkten Verpflichtungen und Beziehungen zwischen den Verwandten, und erweiterten dabei den Bereich des Austausches. Landwirtschaftliche oder feudale Gesellschaften waren durch Authoritäts-Reihung bestimmt, das bedeutet, sie basierten auf Untertanenpflicht. Schließlich ist klar, dass die kapitalistische Wirtschaft von Marktpreis-Beziehungen dominiert wird.


to be continued ...